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NY71T1 - Sich der Vergangenheit bewusst zu sein
Erste öffentliche Rede in New York, USA, am 17. April 1971



0:34 Sind die Lichter nicht ein wenig zu hell? Ich kann Sie nicht sehen.
1:01 Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll, denn wir haben so viele Probleme. Die Probleme scheinen zuzunehmen, und wir Menschen scheinen nicht in der Lage zu sein, eine Lösung zu finden. Wir haben so viele Methoden, Systeme, Philosophien ausprobiert. Wir haben versucht, spirituellen Führern zu folgen, politischen Führern, und wir sind immerzu bemüht, eine Formel zu finden, einen Weg, der uns aus diesem völligen Chaos und Elend herausführt.
2:11 Zuallererst möchte ich betonen, wenn ich darf, dass wir Ihnen keinerlei Philosophie anbieten, es sei denn, Philosophie wird als Liebe zur Wahrheit verstanden, und die Wahrheit ist nicht etwas, das beschrieben werden könnte, denn was beschrieben wird, ist nicht das Eigentliche. Und diese Liebe zur Wahrheit ist nicht etwas Entlegenes, das erst nach langem Üben begriffen werden kann, indem ein bestimmtes System befolgt oder ein Glaube angenommen wird. Man muss vielmehr fähig sein, genau zu beobachten, ohne jegliche Verzerrung. Nur dann ist es möglich, das Eigentliche zu erkennen, und das, 'was ist', ist die Wahrheit, um dann darüber hinauszugehen.
3:45 Im Verlauf dieser vier Vorträge werden wir uns mit der Frage beschäftigen, was es mit dem Betrachten, dem Lernen und dem Sehen des Eigentlichen auf sich hat, um herauszufinden, ob unser Verstand, ob unsere Herzen in der Lage sind, dieses Durcheinander zu überwinden, dieses Elend und die Mühsal, die wir uns selbst erschaffen haben.
4:31 Die meisten von Ihnen kommen mit gewissen Erwartungen her, sie möchten stimuliert werden oder suchen eine Inspiration, oder möchten einer neuen Methode oder einem System folgen. Oder, weil der Sprecher aus diesem weit entfernten Indien stammt, haben Sie irgendwelche romantische Vorstellungen, und hoffen, eine sentimentale Lösung für all unsere Probleme zu finden. Aber der Sprecher ist kein Inder, abgesehen von seinem Pass. Er hat keine Philosophie, er betreibt keinerlei Propaganda, er veranlasst Sie nicht, etwas gutzuheißen oder gegen etwas zu sein. Wir werden gemeinsam untersuchen, was im Äußeren und im Inneren tatsächlich geschieht. Wir werden also gemeinsam an etwas teilhaben. Gemeinsam an etwas teilzuhaben ist Kommunikation. Wir machen viel Getue um die Kommunikation. Gemeinsam ein Problem anzugehen beinhaltet, dass wir frei sein sollten zu untersuchen, frei von Vorurteilen, frei von unserer Konditionierung, die uns definiert als Amerikaner, als Katholik, Protestant, Hindu, als Politiker oder Geschäftsmann, als Wissenschaftler, was immer Sie wollen, frei sein, gemeinsam zu beobachten, zu teilen, und an dem Sinn und der Bedeutung des Gemeinsamen teilzuhaben. Das ist was Kommunikation bedeutet, ein Teilen. Während unserer gemeinsamen Untersuchung müssen Ihr Verstand und auch der des Sprechers frei sein, um zu schauen, Sie sollten weder akzeptieren noch ablehnen, sondern, wenn möglich, das gesamte Problem sehr genau wahrnehmen, ohne jegliche Verzerrung.
7:26 Unser Geist ist verzerrt, denn wir leben unseren Alltag bruchstückhaft. Wir sind Katholiken oder Geschäftsleute, Wissenschaftler, Anthropologen oder Politiker. Sie wissen schon, alles voneinander getrennt. Wir sind im Äußeren wie auch im Inneren fragmentierte Menschen. Wir betrachten das gesamte Problem unseres Daseins durch ein Fragment, sei es intellektuell oder emotional, oder wir ignorieren es und akzeptieren die Dinge so wie sie sind und machen weiter. Wir hoffen, dass irgendwie, mit der Zeit, durch äußere Geschehnisse, durch politische Maßnahmen oder durch Organisationen die Dinge wieder in normale, vernünftige Bahnen gelenkt werden. Ich fürchte, das wird nie geschehen, weder durch eine perfekte Organisation, egal, wie gut sie verwaltet wird, noch durch irgendwelche Lösungen, die die Wissenschaftler anbieten. Offensichtlich werden die Probleme der Menschheit dadurch nicht gelöst.
9:05 Ob Sie nun in diesem Land leben, in Europa, Indien oder in Asien, haben wir Menschen alle die gleichen Probleme. Da wir alle sie kennen, können wir kommunizieren. Was wir gemein haben, kann kommuniziert und gemeinsam geteilt werden. Deshalb muss man alle Bilder beiseite schieben, die man sich von dem Sprecher gemacht hat, oder Ihr eigenes Bild von sich selbst, so dass wir gemeinsam wahrnehmen, mit unseren Herzen ein wirkliches Verständnis und eine Lösung dieser vielen Probleme finden können.
9:59 Wir sollten uns von Anfang an im Klaren darüber sein, dass wir keinerlei Lösung anbieten, wir werden nicht sagen, was Sie tun sollen, denn das befördert die Autorität. Und wo Autorität ist, muss Angst sein, Konkurrenz, Nachahmung und Anpassung, und all das verhindert unser Forschen. Denn wir müssen sehr genau und zögerlich auf die außerordentlichen Probleme eingehen, die wir als Menschen haben, nicht als Wissenschaftler oder Politiker, nicht als Geschäftsleute oder Arbeiter, sondern als Menschen.
11:14 Denn es scheint mir, als müssten wir in uns selbst eine totale Revolution herbeiführen, in der eigenen Psyche, in der Struktur unseres Seins. Aber heutzutage sprechen alle nur von der Revolution im Außen, der physischen Revolution, wenn Sie all Ihre Energie aufbringen, um eine soziale Revolution herbeizuführen. Es wird immer in Begriffen von Veränderungen im Außen gedacht, Veränderungen in der Umwelt.
12:02 Madame, Sie werden an der Reihe sein, wenn am Ende der Rede Fragen gestellt werden können, also haben Sie bitte etwas Geduld.
12:21 Stehen Sie bitte von diesen Stufen auf.
12:29 Darf ich fortfahren?
12:31 Ja.
12:36 Bitte, diese Leute müssen erst aufstehen, bevor Sie fortfahren können.
12:44 Wie bitte?
12:53 Der Platzanweiser erlaubt es nicht, dass Leute auf dem Boden sitzen.
13:04 Wissen Sie, dies hier ist nicht zu Ihrem Vergnügen, weder spirituell noch intellektuell. Wir sprechen über eine sehr ernste Angelegenheit. Und wenn Sie dies nicht ernst nehmen, sehe ich nicht ein, weshalb wir hier sitzen sollten. Ich meine keine ernsten Gesichter oder Ähnliches. Ernst zu sein bedeutet genau das: Ernsthaft zu sein, um mit Ihrer Aufmerksamkeit, Ihrem Herzen, Ihren Fähigkeiten, selbst herauszufinden, ob es eine Lösung, einen Ausweg aus diesem Irrsinn, dieser Gewalt, dieser Brutalität gibt.
14:06 Madame, hören Sie zu.
14:12 Wie wir bereits sagten, haben wir menschliche Probleme, und immer sprechen wir davon, eine Revolution im Außen herbeizuführen, um die sozialen Strukturen zu verändern, sei es durch Gewalt oder mit friedlichen Mitteln. Das Problem liegt viel tiefer als im sozialen oder ökologischen Wandel, sei es in der Umwelt, Wirtschaft oder in der gesellschaftlichen Moral, denn die gesellschaftliche Moral ist unmoralisch. Wir beschäftigen uns also mit unseren menschlichen Problemen, denn unsere Gesellschaft ist das, was wir sind. Die Gesellschaft, die Welt ist wir, abhängig von unsere Beziehungen, unserem Verhalten, unseren Ängsten und Vergnügungen, unserer Verzweiflung und dem Verlangen nach psychologischer Sicherheit und Abhängigkeit. Diese Welt ist wir, und wir sind die Welt. Und um eine radikale Revolution in dieser Welt herbeizuführen, müssen wir uns verändern, nicht lediglich die Umwelt.
16:05 Und immer mehr Bücher und Philosophien und Politiker, und ich fürchte auch die Wissenschaftler sind damit befasst, die Welt im Außen zu verändern. Und offensichtlich sind sehr wenige an einer radikalen Revolution im im Inneren interessiert. Denn wenn wir uns nicht ändern, wenn wir korrupt sind, wozu brauchen wir dann eine perfekte soziale Struktur, denn wir werden sie korrumpieren. Ich denke, das ist ziemlich offensichtlich und logisch.
16:53 Wir neigen dazu, das zu vergessen, denn wir denken, wenn wir die Umwelt verändern, wie es die Kommunisten und andere tun, wenn die politische, wirtschaftliche, soziale Struktur verändert wird, und der Mensch sich dann an diese Struktur anpasst, wird er rechtschaffen, gewaltlos werden, ein friedliches Leben führen. All diese Experimente sind schon einmal unternommen worden, zwangsweise oder friedlich. Doch der Mensch ist das geblieben, was er schon seit Jahrtausenden ist, gierig, neidvoll, angriffslustig, brutal, selbstbezogen, und bringt alle Arten von Leid in die Welt.
18:07 Deshalb ist die Welt, sowohl im Außen wie im Innern, das, was wir sind, wir haben das hervorgebracht. Es gibt keine Trennung zwischen Ihnen und der Welt, und der Welt und dem Ich. Ich glaube, das ist etwas Grundlegendes, das wir fundamental verstehen müssen, dass es keine Einzelpersonen in der Gemeinschaft gibt, einer Gesellschaft, einer von uns getrennten Welt, wir sind die Welt. Wenn Sie in sich hineinhören, werden Sie sehen, dass Sie das Ergebnis Ihrer Kultur sind, Ihrer Umgebung, dessen, was Sie erschaffen haben, oder Ihre Großväter oder Großmütter. Sie sind das Ergebnis der Vergangenheit. Und ohne die gesamte Vergangenheit, die gesamte Struktur unserer Vergangenheit zu verändern, wollen wir die Dinge im Außen verändern, schönere Badezimmer, zum Mond fliegen, Golf spielen, oder irgendeine hässliche Flagge auf dem Mond hissen. Und Sie glauben, technologisch unendlich fortschrittlich zu sein. Vielleicht sind Sie das, doch das wird Ihnen keinen Ausweg aus unserem Elend, unseren Konflikten, aus der außerordentlichen Stumpfheit unseres Geistes weisen, aus dem heillosen Mangel an Liebe und Mitgefühl. Wenn wir die Realität sehen könnten, nicht als Theorie, nicht als etwas Spekulatives, an das wir uns anpassen, sondern als die Tatsache, dass wir die Welt sind. Wir sind das Ergebnis der Kultur, in der wir leben, und dieser Kultur die wir erschaffen haben .
20:29 Wir sind die Vergangenheit. Und um anders zu leben, und wir müssen anders leben, mit einem völlig anders gearteten Verstand und Gefühl, müssen wir uns selbst verstehen, nicht nach Maßgabe eines Philosophen oder Psychologen, sondern als das, was wir tatsächlich sind. Und deshalb müssen wir beobachten. Und wenn wir weder theoretisch noch intellektuell die Tatsache akzeptieren könnten, dass Sie die Welt sind, und die Welt Sie, dass es das ist, was Sie tatsächlich sind. In Ihrer Beziehung zueinander erschaffen Sie die Kultur, Sie sind vollkommen verantwortlich für die Kriege, für das Elend, für die soziale Ungerechtigkeit, für alles, das um uns herum geschieht, das Chaos, das Leid. Und offensichtlich möchten wir uns dem nicht stellen, das wird unsere Schwierigkeit sein. Wir sind uns selbst derart raffiniert und geschickt ausgewichen mithife der Religion, der Philosophie, durch Unterhaltung, sei diese Unterhaltung religiöser Art oder Fußball oder dergleichen. Wir haben ein Netzwerk von Fluchtwegen, durch die wir so schnell hindurchgleiten. Und weil wir fliehen, gibt es viele Enttäuschungen. Aufgrund dieser Enttäuschungen, die wir beinahe anbeten, erschaffen wir jede Art von Literatur, Drama, Kunst, usw., und all das ist keinerlei Erlösung aus unserem täglichen menschlichen Dasein. Und damit sind wir beschäftigt, zumindest ist der Sprecher damit beschäftigt, nicht nur wahrzunehmen, was in uns selbst vorgeht. Sondern dass wir in uns selbst, in unserem Verstand, in der Struktur unserer Gehirnzellen und auch in unseren Herzen eine radikale psychologische Revolution hervorbringen, denn das ist die einzige Revolution, es gibt keine andere. Die bloße physische Revolution ist so schrecklich primitiv, sie schädigt, sie zerstört die Menschen, mit dem Zweck, eine gute Gesellschaft zu schaffen. Sie töten Menschen, um eine gute Gesellschaft zu schaffen. Welch ein Widerspruch, welche Dummheit. Und wir akzeptieren das, entweder stillschweigend oder mit Gewalt, wir akzepieren diese Philosophie, dass wir uns erst im Außen verändern müssen, um uns dann, wie so viele Affen, dem Muster anzupassen, das die Intellektuellen vorgegeben haben, oder die Ökonomen.
25:12 Ich denke also, dass zuallererst wenn ich das wiederholen darf, auf nonverbaler Ebene erkannt werden muss, nicht theoretisch, sondern es muss tatsächlich verstanden werden, so wie Sie Hunger verspüren, dass Sie die Welt sind, und die Welt Sie. Das wirklich zu verstehen ist es das wundervollste, das einem Menschen passieren kann. Denn dann übernehmen Sie die volle Verantwortung, nicht nur für Ihre Beziehungen, sondern auch für Ihre Beziehung zur Natur, für die Zerstörung der Natur, für das Töten von Tieren.
26:20 Neulich hat man im Fernsehen gesehen, wie kleine Robben getötet wurden und ihre Schreie gehört. Und Sie sind die christliche Welt, liebend, gütig, sprechen vom Frieden, und töten diese armen Geschöpfe, kleiden sich in ihren Pelzen, oder was immer Sie damit tun. Und wir leben im 20. Jahrhundert, und Sie sollten zivilisiert und intellektuell sein. Ich überlasse all das Ihnen.
27:07 Wenn man also erkennt, was man tatsächlich ist, muss diese Erkenntnis wahrgenommen werden. Sie können nicht etwas begreifen, das Sie nicht genau untersucht haben. Und um es zu untersuchen, darf es, wie wir sagten, kein Zerrbild geben. Ein Zerrbild wird unweigerlich entstehen, wenn Fragmentierung da ist, wenn ein Teil von Ihnen, das immer noch ein Fragment ist, verurteilt, was Sie wahrnehmen. Wenn ein Teil von Ihnen alle anderen Fragmente beobachtet, und dieser Teil sich anmaßt, die anderen Fragmente zu korrigieren, wird die Autorität dieses Teils die Fragmentierung fortdauern lassen. Es gibt also einen Widerspruch zwischen dem einen Fragment, das sich die Autorität angeeignet hat zu rechtfertigen, zu verurteilen, zu deuten oder zu erklären. Und solange wir diese Fragmentierung in uns haben, und sie ist da, nicht nur auf der bewussten Ebene, sondern auch tief im Innern, in der Höhle unseres Seins. Diese Fragmente, Fragmentierung, die nicht nur das Ergebnis der Kultur ist, in der wir leben, in der Welt der Spezialisierungen, sondern auch in uns selbst, zutiefst sind wir fragmentierte Menschen. Und wenn man die Tatsache erkennt, dass man die Welt ist, und dass wir die Kultur, in der wir leben, selbst erschaffen haben, durch unsere Arbeit, unsere Handlungen, unser Denken, unseren Glauben, durch unsere Nationalitäten und die Trennung in den Religionen, wenn wir das sehen, müssen wir lernen zu beobachten. Denn was wir sehen, ist nicht statisch, es ist nicht etwas, das feststeht, etwas Immerwährendes und Totes, es ist etwas Lebendiges. Und wir beobachten das Lebendige, das, was Sie sind, mit all den Widersprüchlichkeiten, der Verwirrung, der Schuld, dem Elend, der Qual, dem Leiden, das alles ist etwas Lebendiges. Und wir beobachten dieses Lebendige mit den Augen der Vergangenheit. Ich weiß nicht, ob Sie das nicht selbst beobachtet haben. Denn wir leben in der Vergangenheit, wir sprechen vielleicht über die ewige Gegenwart und das Jetzt, denn das ist lediglich eine spekulative Vorstellung, die Erfindung einer klugen intellektuellen Person. Doch tatsächlich leben wir in der Vergangenheit. Wir sind die Vergangenheit. Auch das ist eine Tatsache. Sie sind Christen, Hindus, Sie sind das Ergebnis einer tausendjährigen Propaganda.
31:25 Danke. Das ist eine gute Idee.
31:50 Wie wir gesagt haben, sind wir das Ergebnis von Propaganda, wir sind das Ergebnis dessen, was uns von Kindheit an gesagt wurde, was wir glauben oder nicht glauben sollen. Wir müssen also die Vergangenheit verstehen. Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft sind eine weitere Fragmentierung. Und wir, wie die Wissenschaftler, stellen uns vor, wie die Gesellschaft in 2000 Jahren sein wird. Nicht in 2000 Jahren, in 40, 50 oder 90 Jahren, wie sie in der Zukunft aussehen wird. Sie haben die Zukunft, wie sie sein wird, genau berechnet, in technologischer Hinsicht. Doch Sie wissen ganz genau, dass die Zukunft das sein wird, was Sie jetzt sind. Und was Sie jetzt sind, ist das Ergebnis dessen, was Sie gewesen sind. Und ohne zu verstehen, was Sie gewesen sind, und ohne radikal zu verändern, was Sie gewesen sind und was Sie sind, wird die Zeit keinerlei Lösung herbeiführen.
33:19 Es ist eine unserer großen Täuschungen, dass die Zeit, die eine weitere Fragmentierung ist, irgendwie auf irgendeine wundersame Weise einen außerordentlichen Menschen erschaffen wird.
33:42 Äußerlich gesehen leben Sie vielleicht länger, möglicherweise haben Sie bessere Klärwerke, eine saubere Stadt ohne Luftverschmutzung. Die Wissenschaft kann all diese Dinge herbeiführen, und dafür ist Zeit nötig. Doch ist Zeit überhaupt notwendig, um diesen gewaltigen Wandel herbeizuführen, eine totale Revolution in uns selbst? Wir müssen diese Frage untersuchen, ob die Zeit, das Denken, die Fragmentierung jemals in der Lage sein werden, den menschlichen Geist zu verändern, den Geist, der konditioniert worden ist, und die Gehirnzellen, in der die Vergangenheit, die Erinnerung, Erfahrung und das Wissen von tausend Jahren gespeichert ist. Man muss das alles verstehen, und um es zu verstehen, muss man sich dem wirklich widmen.
35:23 Es ist nichts, das Sie an einem Nachmittag verstehen können, wenn Sie nichts Besseres zu tun haben, und wenn Sie herkommen, hier sitzen und hoffen, alle Unwägbarkeiten des Leben zu begreifen. Man muss sein Leben, sein Herz, sein ganzes Sein hergeben, um es zu verstehen. Denn es ist Ihr Leben, und wenn wir das nicht verstehen, hat jede Suche nach dem Nirvana, nach Extase, nach einem rechtschaffenen Leben ganz und gar keinen Wert.
36:18 Eine der ersten Fragen lautet also, ob der Verstand, der das Ergebnis der Vergangenheit ist, das Ergebnis einer tausendjährigen Evolution, und der einer ungeheuren Krise gegenübersteht, nicht nur der Krise im Außen, sondern auch der Krise in unserem Leben, in unseren Beziehungen, in unserer Art zu leben, ob er diese Krise wirklich bewältigen kann. Nicht teilweise, Stück für Stück, sondern ganz und gar. So dass wir leben können ohne jeglichen Konflikt, ohne Kriegsschauplätze in unserem Leben. Von dem Moment an, in dem wir geboren werden, bis wir sterben, ein immerwährender Kampf; Schmerz, Angst, Sorge und Verzweiflung.
37:44 Wir müssen also, wenn Sie möchten, unseren Verstand untersuchen, d.h. unsere Gedankengänge, unser Intelligenzvermögen. Der Intellekt, der offenbar allseits mit solch großer Begeisterung verehrt wird, der Intellekt dient dem Erforschen. Der Intellekt, der die Ansammlung von Wissen, von Erfahrung ist, der eintausend Jahre lang nach einem Ausweg aus diesem Elend und dieser Verwirrung gesucht hat. Wir glauben, dass dieser Intellekt eine Lösung finden wird, oder dass er in der Lage sein wird, über das Erforschte hinauszugehen. D.h., der Intellekt ist Wissen, richtig oder falsch verwendet. Der Intellekt ist die Fähigkeit zu kritisieren, zu beobachten, zu untersuchen, sei es auf gesunde oder ungesunde, logische oder unlogische Weise. Dieser Intellekt hat die Fähigkeit, objektiv zu beobachten. Doch dieser Intellekt ist nur ein Teil des Ganzen, nicht wahr? Wir leben nicht nur durch den Intellekt, wir leben durch unsere Gefühle, durch unsere Liebe oder Vergnügungen, unsere Schmerzen. Wenn also der Intellekt, als Inbegriff des Denkens, beginnt, unser Leben zu bestimmen, verursacht er große Widersprüche in unserem Leben.
40:41 Unser Leben ist eine vollkommene Angelegenheit, d.h. die psychosomatischen Reaktionen, die Reaktionen des Herzens, des Geistes, und des Geistes, das auf der Suche nach etwas Jenseitigem ist. Wir sind dieses vollkommene Menschenwesen, nicht nur der Intellekt oder das Gefühl, oder die Leugnung des Intellekts, um nur in einer Art emotionaler Unordnung zu leben.
41:29 Man muss also diesen inneren Widerspruch verstehen, d.h. den Widerspruch der Zeit als gestern, heute und morgen, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Zeit als Mittel, unsere mannigfaltigen Probleme zu lösen und das Wissen, das der Mensch im Lauf von tausend Jahren angesammelt hat, von dem er abhängt, und das die Vergangenheit ist. Nun, das ist unsere Vergangenheit, das Wissen ist Vergangenheit. In der Gegenwart gibt es kein Wissen. Kommunizieren wir miteinander?
42:39 Ja.
42:41 Ich werde nicht immer wieder fragen, ob wir miteinander kommunizieren, ich möchte es nur einmal tun und dann nicht wieder. Wenn Sie mit dem Sprecher nicht kommunizieren und der Sprecher nicht in der Weise kommuniziert, dass wir gemeinsam die anstehenden Probleme teilen, ist das Ihre Sache. Der Sprecher wird es so klar, so logisch, so vernünftig wie möglich vermitteln, und wenn Sie es teilen möchten, tun Sie es. Und wenn Sie es nicht teilen, teilen Sie es meinetwegen nicht. Denn dieses ist keine Propaganda, und darin liegt ihre Schönheit. Es gibt nichts, wovon Sie überzeugt werden oder an das Sie glauben müssen, kein neues Gedankengut zum Mitnehmen. Ideen sind die Kinder unfruchtbarer Frauen. Ja, Sie lachen, doch Sie leben mit Ideen. Für Sie sind Ideen die wichtigsten Dinge im Leben. Ideen sind nicht nur aus Wörtern zusammengesetzt, sondern Ideen ist das Denken, das zu einer Idee wird, als Formel, als Begriff. Sehen Sie nur, was Sie tun, Sie leben in der Vergangenheit, Ihr gesamter Verstand, Ihr Wissen, Ihre Gehirnzellen, Ihre Bilder, das alles ist Vergangenheit, und Sie leben in der Zukunft für ein Ideal, eine Vorstellung, einen Glauben an etwas. Sie sehen also, wie die Zeit, die die Vergangenheit ist, eine Trennung der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft bewirkt hat. Und Sie leben immerzu auf die Zukunft hin und versuchen, die Vergangenheit zu vergessen. Doch Ihre Wurzeln, Ihr Sein, Ihr gesamter Denkprozess sind mit der Vergangenheit verwurzelt. Und ohne ein Verständnis für diese tiefen Wurzeln, die Sie selbst sind, versuchen Sie, eine wundervolle zukünftige Gesellschaft zu erschaffen.
45:50 Wissen Sie, neulich unterhielten sie sich darüber, was passieren wird, die explosionsartige Entwicklung der Technologie, wie die Technologie eine neue Gesellschaft erschaffen wird. Offensichtlich wird eine neue Gesellschaft entstehen, doch wir Menschen sind, was wir die letzten zehntausend Jahre gewesen sind, und wenn wir uns nicht ändern, werden wir in größeren Widersprüchen, tieferen Qualen leben, und unser Verhältnis zueinander wird furchtbar sein.
46:38 Wir werden uns gemeinsam der Frage widmen, ob der Verstand, der im Laufe der Zeit konditioniert wurde, konditioniert durch Erfahrung, konditioniert durch das Wissen, das aus dieser Erfahrung gewonnen wurde, konditioniert durch die Religion, zu glauben oder nicht zu glauben, Katholiken, Protestanten, und die unzähligen Strömungen im Protestantismus, die Hindus, die Moslems, all der Unsinn, der in der Welt geschieht, ein Zirkus. Wir sind durch die Vergangenheit konditioniert, durch Propaganda, wir sind das Ergebnis all dessen, sind wir uns dessen bewusst?
47:40 Das ist die erste Frage: Uns unserer Vergangenheit, unserer Konditionierung gewahr zu sein. Das Wort Gewahrsein bedeutet etwas sehr einfaches, machen Sie es nicht kompliziert. Gehen Sie nicht nach Burma oder in ein Kloster, um den Rest Ihres Lebens die Bedeutung des Gewahrseins zu studieren. Das Gewahrsein praktizieren, das ist eines der Jargons, ein Klischee, das Sie kürzlich erlernt haben. Einfach nur gewahr zu sein, sich der Farbe dieser Rose, sich des Mannes gewahr zu sein, der das Wasser gebracht hat, Ihres Nachbarn, der Farbe, der Proportionen der Halle, sich der Dinge gewahr zu sein, die um Sie herum geschehen, des Elends, des Drecks, der Armut, der Hässlichkeit, die der Mensch verursacht hat, der Brutalität der Dinge, die Sie umgeben, sich dessen gewahr, bewusst zu sein.
49:11 Nun beginnt die Schwierikeit. Sie können gewahr sein, das ist ziemlich einfach, Ihrer Umgebung gewahr sein, wenn Sie die Straße hinunterlaufen, mit dem Schmutz, Sie wissen besser als ich, was in New York City passiert. Gewahr sein. Was geschieht, wenn Sie gewahr sind? Bitte folgen Sie mir, es ist sehr einfach, Sie können es mit Leichtigkeit selbst tun. Wir teilen dies miteinander, ich bin nicht Ihr Guru. Verstehen Sie? Ich teile mit Ihnen, deshalb machen wir die Reise gemeinsam. Ich führe Sie nicht. Gott sei Dank sind Sie nicht meine Gefolgschaft, denn Sie würden mich zerstören, und ich würde Sie zerstören. Es gibt keinen Lehrer, es gibt nur Sie: als Lehrer und als Schüler. Sie werden also gleichermaßen zum Beobachter und zum Lernenden. Sie werden in einem Atemzug alle Gurus beiseite schieben, alle Gefolgschaft, alle Autorität im spirituellen Sinn. Weder die Autorität des Polizisten, noch die Autorität des Gesetzes, denn um das Gesetz zu verändern, das bestehende Gesetz, müssen Sie erst sich selbst verändern. Erst möchten wir die äußeren Gesetze verändern, die von Ihnen geschaffen wurden, durch Ihre Vorurteile, Ihre Gier, Ihre Habsucht, durch Ihr Streben nach Sicherheit, und Sie möchten diese Gesetze verändern, ohne sich selbst zu verändern. Sie möchten Frieden in der Welt haben, keine Kriege, kein Vietnam mehr, doch in Ihren Herzen herrscht Krieg, und Sie werden unweigerlich Kriege verursachen.
51:55 Um sich nicht nur äußeren Dingen gewahr zu sein, der Wolke, der Schönheit des Baumes und des schnellen Vogelflugs, und der Spiegelungen auf dem Wasser. Es ist leicht, sich all dessen gewahr zu sein, denn es berührt Sie nicht, denn es ist etwas im Außen, weit weg. Unsere Schwierigkeit beginnt, wenn wir uns selbst wahrnehmen. Wenn Sie sich selbst sehen, so wie Sie sind, Sie sagen, ich mag das nicht, es ist häßlich, oder wunderschön, dieses behalte ich, jenes nicht, dann wählen Sie aus, mit dem Verstand, Sie verurteilen oder rechtfertigen, vergleichen. In diesem Zustand des Vergleichens, des Rechtfertigens, des Verurteilens ist Ihre Aufmerksamkeit zerstreut, Sie sind nicht achtsam. Sie nehmen das Bild wahr, das aus der Vergangenheit stammt, und mit diesem Bild sehen Sie die Gegenwart und verfälschen sie. Ist das klar? Sorry, ich kann Sie nicht fragen, ob es Ihnen klar ist, es liegt an Ihnen.
53:30 Ich werde es noch einmal anders darlegen. Wenn Sie einen Baum, einen Vogel oder das Licht auf einer Wolke wahrnehmen, wenn Sie das wirklich wahrgenommen haben, kleiden Sie es sofort in Worte, Sie sagen: "Was für eine schöne Wolke". Sie möchten ein Gedicht schreiben, wenn Sie so veranlagt sind, Sie möchten es weitererzählen. Es in Worten auszudrücken ist eine Ablenkung, denn dann hören Sie auf zu schauen. Das Verbalisieren ist das Bild der Wolke, die Sie gestern gesehen haben, und dieses Bild steht zwischen Ihnen und der tatsächlichen Wolke. Sie betrachten also die Wolke durch den Filter von Worten, durch den Filter von Wissen, durch den Filter von Erinnerungen an gestern. Also sind Sie sich des Eigentlichen nicht vollkommen bewusst. In derselben Weise sich bewusst zu sein, was im Innern passiert, sich dessen unmittelbar gewahr zu sein. Dort beginnt unsere Schwierigkeit. Denn wenn Sie mit einer Vorstellung aus der Vergangenheit beobachten, erzeugen Sie in Ihrer Beobachtung eine Trennung zwischen Ihnen als Beobachter und dem, was beobachtet wird. Ich hoffe, Sie tun das jetzt, während wir sprechen. Das heißt, teilzuhaben. Gehen Sie nicht heim, um darüber nachzudenken, dann tun Sie es nicht. Sie tun es nur im Augenblick des Zuhörens. Das ist die Bedeutung und die Schönheit des Teilens, nicht etwas mit nach Hause zu nehmen, um dann darüber zu sprechen. D.h., sich gewahr zu sein, sich gewahr zu sein, was gerade in Ihnen geschieht, nicht anhand von irgendeiner Meinung, sondern in diesem unmittelbaren Gewahrsein zu beobachten, was tatsächlich ist. Das bedeutet, dass der Verstand nicht verdammt, nicht benennt, sondern einfach nur beobachtet. D.h., ich bin mir bewusst, dass ich gewalttätig bin, auf jede mögliche Weise, sexuell, in meiner Sprache, meinen Gebärden, in meiner Lebenshaltung, gewalttätig, trennend. Eine Gewalt, die aus meiner Angst resultiert, ich bin mir meiner Gewalttätigkeit bewusst. Wenn ich mir dessen also bewusst bin, sage ich mir: "Ich bin gewalttätig, ich bin neidisch oder gierig". Wenn Sie es benennen oder durch das Wort betrachten, ist das Wort die Vergangenheit. Wenn Sie es also mit den Augen der Vergangenheit betrachten, bestärken Sie das, was Sie mit Gewalt bezeichnen. Denn das, was gerade geschieht, beziehen Sie auf die Vergangenheit, und die Vergangenheit ist mehr oder weniger die feste Größe, die wir haben. Indem wir also die Gewalttätigkeit, den Ärger benennen, bestärken wir das Wissen, das wir über den Ärger erworben haben. Deshalb haben wir keine neue, frische Sichtweise. Sie betrachten also den Ärger mit einer Sichtweise, die durch die Vergangenheit verzerrt wurde. Soll ich weiterfahren?
59:23 Ja.
59:30 Also mischt sich die Vergangenheit, in der Form von Wissen, ständig in die Gegenwart ein. Wenn Sie mich beleidigt oder gelobt haben, hinterlässt das einen Eindruck in meinem Geist. Als Wissen. Und wenn ich Ihnen begegne, sind Sie entweder mein Freund oder mein Feind, gemessen an dem, was vorher passiert ist. Also begegne ich dem Leben, diesem außergewöhnlichen Auf und Ab des Lebens, ständig mit dem Wissen aus der Vergangenheit. Wissen ist die Vergangenheit. Dennoch ist Wissen notwendig. Ohne Wissen könnten Sie nicht von hier nach Hause gelangen, ohne Wissen könnten Sie Ihren Ehepartner nicht wiedererkennen. Sie würden weder sprechen, lesen, noch arbeiten können, weder technologisch noch auf andere Weise. Sie müssen also über ein gewaltiges Wissen verfügen, und dennoch die Gefahr sehen, wie gerade dieses Wissen eine Trennung zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten bewirkt. Sorry, wenn ich ständig andere Worte gebrauche. Ich muss das tun, ich kann nicht ständig das alte Zeug wiederholen. Das heißt, wenn wir einen Baum betrachten, entsteht das Bild, das botanische Wissen über diesen Baum, eine Zu- oder Abneigung zu diesem Baum, oder der Nutzen, wenn Sie ein Holzfäller sind, Es ist das Bild dieses Baumes. Also ist dieses Bild der trennende Faktor zwischen Ihnen und dem Baum, d.h., es gibt eine Entfernung zwischen Ihnen und dem Baum, sowohl räumlich wie in der Zeit. Wenn allerdings kein Bild da ist, betrachten Sie den Baum auf eine ganz andere Weise, Sie identifizieren sich nicht mit dem Baum, denn Sie können kein Baum werden, das wäre zu absurd. Doch die räumliche Entfernung, die Entfernung zwischen Ihnen und dem Baum, verschwindet, und Sie sehen den Baum, wie Sie ihn noch nie zuvor in Ihrem Leben gesehen haben, die Schönheit des Blattes, die Biegung des Zweiges, die Leichtigkeit, die Form, alles wird außerordentlich lebendig.
1:03:18 Wenn Sie sich jetzt selbst betrachten, nicht nur im Spiegel, wenn Sie sich die Haare kämmen, sondern wenn Sie sich selbst betrachten, sehen Sie sich mit dem Wissen, das Sie über sich selbst angesammelt haben. Das Bild, das Sie von sich haben, ich muss so sein oder auch nicht, ich sollte so sein, oder auch nicht, in der Zukunft werde ich anders sein, diese ganze Bewegung zu etwas anderem hin ist das Ergebnis von Wissen. Aus diesem Wissen entsteht das Bild, das Sie von sich haben. Wenn Sie sich also betrachten, sehen Sie sich durch die Augen des Bildes, das die Vergangenheit ist, und deshalb schauen Sie nicht wirklich. Wenn Sie nun unmittelbar gewahr sind, beobachten Sie ohne den Beobachter, der die Vergangenheit ist, der die Bilder erzeugt. Gut? Soll ich fortfahren?
1:04:51 Ja.
1:04:53 Bitte hören Sie zu, denn wenn Sie wissen, wie man zuhört, haben Sie schon alles vollbracht, dann müssen Sie nichts tun, Sie können mühelos zuhören, Sie können sich mühelos verändern. Wir werden uns später damit befassen, wenn wir Zeit haben, die Notwendigkeit der Veränderung, und ob es möglich ist, und wie es herbeigeführt werden kann.
1:05:31 Aber das Zuhören. Ich glaube, wir hören nie zu, denn wenn wir zuhören, denken wir an etwas anderes. Oder wir sagen, mir gefallt nicht, was er sagt, oder wir vergleichen das, was er sagt, mit etwas anderem. Haben Sie jemals Ihrer Ehefrau oder Ihrem Ehemann zugehört? Lachen Sie bitte nicht, das ist Zeitverschwendung, tun Sie es nicht. Klatschen ist auch Zeitverschwendung, Verschwendung Ihrer Energie, tun Sie es bitte nicht. Besser, Sie klatschen, wenn ich nicht da bin. Haben Sie jemals zugehört, wirklich zugehört? Das heißt, ohne die Vergangenheit. Die Vergangenheit mit der nörgelnden Ehefrau oder dem herrschsüchtigen Ehemann, wir müssen das nicht weiter ausführen, diese schreckliche Sache, Ehe genannt, in der all das geschieht. Zuhören ohne die Vergangenheit. Dann entsteht eine vollkommen andere Beziehung. Dann ist Ihre Beziehung nicht zwischen zwei Bildern, dem Bild, das Sie von der Frau haben, oder dem Bild, das sie von Ihnen hat. Jetzt ist die Beziehung zwischen zwei Bildern, die infolgedessen gar keine Beziehung ist. Ich weiß nicht, ob Sie jemals über Beziehungen nachgedacht haben, denn sehen Sie, was in der Welt geschieht. Sie gehen ins Büro, mit all den Problemen, die es dort gibt, mit Ihrem Ehrgeiz, den Erniedrigungen Ihres Vorgesetzten, der Angst, Sie sind für ich weiß nicht wie viele Stunden von Ihrer Frau getrennt, und die Frau hat ihre eigenen Probleme, ihre eigene Trübsal, ihr eigenes Durcheinander, Ihren eigenen Ehrgeiz, ihre Kleinlichkeit, ihre Schäbigkeit usw. Und Sie kommen heim, und Sie gehen mit ihr ins Bett, und das ist Ihre Beziehung. Sie sind isoliert und sie ist isoliert, und Sie hoffen, durch den Sex eine Art von Beziehung herzustellen, die Sie Eintracht nennen - Liebe für die Familie.
1:09:00 Das muss alles verstanden werden, denn eine andere Gesellschaft zu erschaffen erfordert eine andere Art von zwischenmenschlichen Beziehungen, zwischen Ihnen und Ihrer Frau und Ihren Nachbarn. Und wenn Ihre Beziehung auf der Vergangenheit beruht, auf Ihren Erinnerungen, den Beleidigungen, der Nörgelei, der Vergangenheit, den Bildern, die Sie voneinander haben, häßlich oder wunderschön, oder verrückt, unvernünftig, entstellt, dann haben Sie gar keine Beziehung. Um sich all dessen gewahr zu sein, nicht nur zeitweilig, sondern achtsam zu sein, um kein Bild entstehen zu lassen. Ich werde Ihnen das gleich zeigen, ich werde es erläutern. Wie kann man sich von einem Bild befreien, und keine Bilder erzeugen? Verstehen Sie meine Frage? Los geht's.
1:10:33 Nehmen Sie eine einfache Tatsache: Sie schmeicheln mir. Diese Schmeichelei ist angenehm, und das hinterlässt einen Eindruck in den Gehirnzellen, und sofort entsteht das Bild, dass Sie mein Freund sind, ich mag Sie, weil Sie mir geschmeichelt haben. Wenn Sie mich beleidigen, hinterlässt das ebenfalls einen Eindruck, und das Bild, dass Sie nicht mein Freund sind. Das ist eine Tatsache, nicht wahr, das geschieht immerzu, ich mag Sie, ich mag Sie nicht, Sie sind schön, Sie nicht, Sie sind intelligent, dieses ständige Erzeugen von Bildern. Wenn mir also geschmeichelt wird, sich dessen sofort vollkommen bewusst zu sein, es weder akzeptieren noch ablehnen, nur beobachten, was mit meinen Reaktionen geschieht. Wenn Sie derart aufmerksam beobachten, wird kein entstelltes Bild erzeugt. Tun Sie es jetzt, wie ich Ihnen sage, Sie werden sehen. Es ist ein sehr einfaches Phänomen, machen Sie es nicht kompliziert. Aufmerksam und gewahr zu sein, in dem Moment, in dem Sie beleidigt werden oder Ihnen geschmeichelt wird. In dem Moment gibt es keine Wahl, es wird folglich kein Bild erzeugt. Dann begegnen Sie den Menschen jedes Mal neu. Das ist wirkliche Unschuld. Das Wort Unschuld bedeutet einen Geist, der unmöglich verletzt werden kann. Die meisten Menschen sind von Kindheit an verletzt worden, durch die Mutter oder den Vater, durch die Schule, den Lehrer, verletzt, verletzt, verletzt. Und diese Verletzungen gehen auf unterschiedliche Erfahrungen zurück. Und wir tragen sie in uns, bis wir sterben, tragen sie in uns als Erinnerungen, die die Vergangenheit sind. Und die Zeit wird sie nicht auflösen, die Zeit wird sie nur verstärken. Doch wenn Sie sich dieses gesamten Geschehens bewusst sind, der Vergangenheit, die aus Bildern und Erfahrungen besteht, dann speichert Ihr Verstand keine Beleidigungen, keine Verletzung. Dann erfahren Ihre Beziehungen zueinander eine radikale Revolution. Denn wir stehen in Beziehung zueinander, ob diese Person nun in Vietnam lebt, oder in Indien oder in Europa, oder hier oder in China, wir stehen miteinander in Beziehung, denn wir sind Menschen. Und wenn wir uns isolieren durch unsere Bilder, die aus Verletzungen, Schmerzen, Vergnügungen, Ängsten bestehen und dem furchtbaren wetteifernden Ehrgeiz, der in diesem bedauernswerten Land so gefördert wird, dann werden Beziehungen zu einer Folter, dann ist unsere Beziehung nicht der wunderschöne gelebte Moment, sondern die Vergangenheit. Man muss sich also dieser gesamten Vergangenheit bewusst sein, nicht nur auf der Bewusstseinsebene, sondern auch in den tieferen Schichten.
1:16:01 Darf ich fragen, wie spät es ist?
1:16:04 Zehn Minuten.
1:16:09 Dies ist ein sehr kompliziertes Problem, denn wir leben in der Vergangenheit, mit dem Wissen, das wir über Jahrzehnte angesammelt haben. Und dieses Wissen zerstört uns, denn dieses Wissen trennt, dieses Wissen trennt den Moslem von dem Hindu, den Christen und allen anderen, den Katholiken und den Protestanten. Die Trennung der Nationalitäten, all das beruht auf der Vergangenheit. Um dieses riesige Problem der Vergangenheit zu verstehen, muss man nicht nur, wie wir beiläufig und ziemlich kurz untersucht haben, das Wissen an der Oberfläche verstehen, sondern auch dieses tiefe, wenn man das so gewöhnliche Wort Unbewußte gebrauchen darf, das Wissen, das tief in uns gespeichert ist, man muss auch all das verstehen. Wie man weiß, ist Wissen unbedingt erforderlich, ohne Wissen kann man nichts tun, doch man ist sich auch bewusst, dass Wissen in Beziehungen ein Zerrbild entstehen lassen. Und Beziehungen sind das Wichtigste im Leben, ohne sie können wir nicht im Frieden leben, ohne sie werden wir nicht wissen, was Liebe ist. Um also in Beziehung zu sein, keine Beziehung zwischen zwei Bildern, die die Vergangenheit sind, sondern wirklich in Beziehung zu sein, bedeutet, kein Zentrum zu haben, in dem Bilder erzeugt werden.
1:18:52 Leider ist keine Zeit mehr, um die Frage zu untersuchen, wie das Unbewusste beobachtet werden kann, wie der gesamte Inhalt des Unbewussten aufgedeckt werden kann, nicht analytisch, sondern um es aufzudecken. Das muss sehr, sehr vorsichtig geschehen. Vielleicht werden wir das morgen Nachmittag tun, aber nicht jetzt. Wir haben noch ein paar Minuten, wenn Sie noch Fragen haben.
1:19:30 Möchten Sie Fragen stellen?
1:19:34 Ja.
1:19:36 Einen Moment noch. Bevor Sie Fragen stellen, möchte ich etwas über das Befragen sagen. Erstens, weshalb stellen Sie Fragen? Nicht dass Sie keine Fragen stellen sollten, das müssen Sie tun, jede mögliche Frage, zweifeln Sie alles an. Doch Skepsis muss gezügelt werden, wann sie freizulassen, wann sie zurückzuhalten ist. Und wenn Sie eine Frage stellen, erwarten Sie, dass der Sprecher die Frage beantwortet, oder stellen Sie die Frage sich selbst, so dass wir sie gemeinsam beantworten? Denn sobald eine Frage gestellt wird, ist die Antwort in der Frage enthalten. Eine Frage richtig zu betrachten, enthüllt die Antwort enthüllt. Wenn Sie Fragen stellen, müssen wir also bedenken, dass Sie nicht nur die richtige Frage stellen, was nicht bedeutet, dass der Sprecher Sie davon abhält, Fragen zu stellen. Wenn die richtige Frage gestellt wird, ist eine Tiefe hinter dieser Frage, denn die richtige Frage hat eine unermessliche Tiefe. Und die seichte Frage ist die falsche Frage, weil sie sehr oberflächlich ist. Darauf müssen Sie achten, wenn Sie eine Frage stellen. Wenn Sie Fragen stellen, erfahren Sie etwas über sich selbst. Wenn das verstanden ist, bitte fragen Sie!
1:21:40 Bitte, sollte jemand, der sich selbst nicht wirklich liebt, anderen helfen, sich selbst zu lieben, oder sollte überhaupt jemand einem anderen helfen?
1:21:54 Sollte jemand einem anderen helfen. Was meinen Sie mit sich gegenseitig helfen? Der Arzt hilft Ihnen, wenn er ein guter Arzt ist, ein guter Ernährungsberater. Das Hinweisschild hilft Ihnen, zu einem gewissen Ort zu gelangen, sie sind alle eine Hilfe, nicht wahr? Doch wenn Sie annehmen, dass Sie jemandem helfen können, haben Sie schon eine Position bezogen. Diese Position birgt Autorität in sich, was jede Art von Demut zerstört. Das Helfen ist wie der Duft einer Blume am Wegrand, es ist da, der Duft, die Farbe, die Schönheit, die stille Wahrnehmung ihres Blühens. Es ist da, und wenn Sie daran riechen wollen, tun Sie es, wenn nicht, dann nicht. Und das ist helfen. Wenn Sie etwas zu geben haben, tun Sie es, ohne sich bewusst zu sein, dass Sie geben. Richtig?
1:23:35 Jiddu, Sie halten sich sicherlich für einen sehr großen Mann, doch welche Meinung haben Sie vom Buddha?
1:23:50 Sie halten sich natürlich für einen sehr großen Mann, doch was halten Sie vom Buddha? Der Buddha, der im 5. Jh vor Christus ein religiöser Lehrer in Indien gewesen ist. Erstens, habe ich gar keine Meinung von mir, weder groß noch klein, und das meine ich wirklich. Das ist eine unsachgemäße Frage. Wenn Sie sagen, was denken Sie über den Buddha; Ich denke nicht über den Buddha, denn das Denken hat keinen Zugang zum Bereich des Verstehens. Wo die Liebe ist, ist kein Denken. Wenn Liebe da ist, und der Geisteszustand, in dem das Denken abwesend ist, gibt es kein Vergleichen.
1:25:19 Können wir über Zerstreuung sprechen?
1:25:24 Können wir über Zerstreuung sprechen.
1:25:27 Angenommen, Sie hören jemandem zu, und es gibt ein Geräusch, und beide Geräusche stehen im Widerspruch zueinander. Sie sagen, es sollte keine Wahlmöglichkeit geben, doch sucht der Verstand...
1:25:47 Ja, ich habe Ihre Frage verstanden. Zerstreuung. Weshalb nennen Sie es Zerstreuung? Sie möchten ihm zuhören. Sie hören zwei Minuten lang zu, oder weniger, eine Sekunde, und Ihr Verstand schweift ab. Weshalb nennen Sie das Zerstreuung? Weshalb vergleichen Sie, sagen, diesem will ich zuhören, jenem nicht? Wenn Sie es Zerstreuung nennen, sind Sie schon im Konflikt, nicht wahr? Denn ich möchte Ihnen zuhören, ein paar Minuten lang bin ich aufmerksam. Mein Verstand kann diese Aufmerksamkeit nicht halten und schweift ab. Ich nenne es nicht Zerstreuung. Ich sage, er ist abgeschweift. Ich möchte herausfinden, weshalb er abgeschweift ist. Mich interessiert keine bestimmte Aufmerksamkeit, sondern Aufmerksamkeit, sei es die Aufmerksamkeit, Ihnen zuzuhören oder die Aufmerksamkeit, die mich veranlasst abzuschweifen. Ich beobachte das, was Zerstreuung genannt wird, die keine Zerstreuung ist. Wenn wir aufmerksam sind, gibt es keine Zerstreuung. Haben Sie das verstanden? Es ist nur der Verstand, der nicht vollkommen achtsam ist, solch ein Verstand schweift ab. Dann sagen Sie, ich wurde abgelenkt, und wie werde ich wieder achtsam? Daraus entsteht ein Kampf. Also geben Sie acht auf das was gesagt wird, und wann der Verstand abschweift. Das Ausschlaggebende ist aufmerksam zu sein, dann gibt es keinen Konflikt. Das größte Verbrechen ist mit sich selbst im Konflikt zu sein, denn dieser Konflikt findet seinen Ausdruck in Ihrer Umwelt als Hass, Neid, Langeweile, Aggressivität, Brutalität, Töten. Und für ein Leben ohne jeglichen Konflikt muss ein vollkommen anderes Leben gelebt werden. Vielleicht werden wir das morgen untersuchen.
1:29:04 Ich bin immerzu sehr ängstlich, ich versuche, mir selbst zu begegnen und dem, was Sie sagen, und versuche, in der Fülle zu leben. Doch hindert mich die Vergangenheit, und ich bin zu ängstlich, um mich und mein Leben anzuschauen.
1:29:25 Ich habe die Frage leider nicht verstanden. Hat jemand sie verstanden? Die Gedanken mischen sich ein, nicht wahr?
1:29:34 Die Angst verursacht die Gedanken.
1:29:36 Angst, Gedanken und die Angst mischen sich ein. Wissen Sie, diese beiden, Gedanken und Angst, muss man außerordentlich gründlich untersuchen. Wir werden das morgen tun, in Ordnung? Denn es ist nicht so, dass Sie einfach sagen können, weg mit den Gedanken, oder weg mit der Angst, das wäre zu dumm, doch man muss diese ganze Frage der Angst verstehen. Man muss das untersuchen, was ist Denken, weshalb ist das Denken im Leben so wichtig geworden. Und welchen Platz hat das Denken. Das kann nicht in ein paar Minuten abgehandelt werden. Dürfen wir morgen darüber sprechen? Ist das in Ordnung? Ich glaube, wir sollten jetzt aufhören. Denn Ich glaube, Sie benötigen den Saal um halb acht.