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NY71T3 - Beziehungen
Dritte öffentliche Rede in New York, USA, am 24. April 1971



0:33 Heute Abend würde ich gerne verschiedene Dinge ansprechen: Unsere Beziehungen, die Liebe, und das gesamte menschliche Dasein; unseren Alltag eingeschlossen, und die riesengroßen Probleme, die wir haben, die Konflikte, die Freuden und Ängste, und dieses ganz Außergewöhnliche, das wir den Tod nennen.
1:42 Wie wir neulich sagten, sollten wir uns nicht auf Theorien einlassen, auf spekulative, unterhaltsame Konzepte. Wir sollten vielmehr die Tatsache erkennen, dass wir die Welt sind, und die Welt wir. Wir sind die Welt, und die Welt ist jeder Einzelne von uns. Wenn wir das spüren und uns darauf wirklich einlassen, auf nichts anderes, werden wir nicht nur ein Gefühl großer Verantwortung verspüren, sondern es wird ein Handeln bewirkt, das nicht fragmentarisch, sondern ganzheitlich ist.
3:00 Wir vergessen nur allzu leicht, dass unsere Gesellschaft und die Kultur, in der wir leben, in der wir aufgewachsen sind, die uns konditioniert hat, menschlichem Streben entspringt. Sie ist das Ergebnis menschlicher Konflikte, von Elend und Leid, und beides, unsere Kultur und das Individuum und die Gemeinschaft sind wir alle, jeder Einzelne von uns, wir sind davon nicht getrennt. Um das zu spüren, nicht als intellektuelle Vorstellung, sondern um diese Tatsache wirklich zu spüren, müssen wir uns fragen, was Beziehungen bedeuten. Denn wir leben in Beziehungen. Das Leben bewegt sich innerhalb von Beziehungen. Und wenn wir die Bedeutung von Beziehungen nicht verstehen, werden wir uns unweigerlich nicht nur isolieren, sondern eine Gesellschaft schaffen, in der Menschen voneinander getrennt sind, nicht nur was ihre Nationalität oder Religion betrifft, sondern auch sie selbst. Deshalb projizieren sie das, was sie in sich tragen, in die Umwelt.
4:52 Ich weiß nicht, ob wir diese Frage zutiefst untersucht haben, um herauszufinden, ob wir in vollkommener Harmonie, in vollkommenem Einverständnis miteinander leben können, so dass keine Barriere, keine Trennung mehr vorhanden ist, sondern ein Gefühl vollkommener Einheit. Denn in Beziehung zu sein bedeutet, nicht wahr, verbunden zu sein. Nicht durch eine Aktivität, durch irgendein Projekt, durch eine Ideologie oder ein Konzept, sondern ganz und gar miteinander verbunden zu sein, in dem Sinn, dass eine Trennung, eine Fragmentierung zwischen zwei Menschen auf keiner Ebene mehr vorhanden ist.
6:32 Wenn wir diese Art von Beziehung nicht herstellen können, glaube ich, dass bei dem Versuch, Ordnung in der Welt zu schaffen, ob nun theoretisch oder technologisch, die Menschheit unweigerlich nicht nur tief spalten wird. Wir werden auch die Korruption nicht verhindern können. Die Korruption hat ihren Ursprung in der Beziehungslosigkeit. Meiner Meinung nach ist das die Wurzel der Korruption. Beziehungen, wie wir sie jetzt kennen, beruhen auf voneinander getrennten Individuen. Das Wort Individuum, der Ursprung dieses Wortes bedeutet unteilbar, ein Mensch, der in sich selbst nicht getrennt, nicht fragmentiert ist, ist tatsächlich ein Individuum. Doch die meisten von uns sind keine Individuen. Wir glauben, es zu sein, deshalb gibt es den Widerstand des Individuums gegen die Gemeinschaft. Doch wir müssen nicht nur die Bedeutung dieses Wortes verstehen, so wie sie im Wörterbuch steht, sondern die tiefe Bedeutung der Individualität, in der es keinerlei Fragmentierung gibt. D.h., in dem der Geist, das Herz und der physische Organismus in vollkommener Harmonie miteinander leben können. Nur dann ist Individualität möglich.
9:11 Unsere derzeitigen Beziehungen zueinander - egal, wie intim oder oberflächlich, wie tiefgründig oder flüchtig - sie sind, wenn wir sie genau untersuchen, fragmentiert. Die Ehefrau oder der Ehemann, der Junge oder das Mädchen, sie leben in ihrem eigenen Kokon, sie leben für ihren eigenen Ehrgeiz, verfolgen ihre persönlichen und egoistischen Ziele, sie sind neidvoll. All das trägt dazu bei, dass wir uns von uns selbst ein Bild machen, und durch dieses Bild treten wir mit anderen in Beziehung, wodurch keine wirkliche Beziehung entstehen kann.
10:38 Ich weiß nicht, ob Sie sich wirklich des Bildes bewusst sind, das Sie von sich haben, ob Sie die Beschaffenheit und die Natur dieses Bildes erkennen, das Sie um sich herum und in sich errichtet haben. Wir alle machen das immerzu. Und wie können wir miteinander in Beziehung treten, wenn es dieses persönlichen Streben gibt, den Neid, den Wettbewerb, die Gier, all diese Faktoren, die in der modernen Gesellschaft gefördert und übertrieben werden. Wie können wir eine Beziehung miteinander haben, wenn jeder auf seine eigene persönliche Leistung bedacht ist, seinen eigenen persönlichen Erfolg?
12:05 Ich weiß nicht, ob man sich dessen überhaupt bewusst ist. Wir sind in einer Weise konditioniert, dass wir das als Norm akzeptieren, als Lebensmuster, dass jeder seinen besonderen Eigenheiten nachgehen muss, seinen ihm eigenen Neigungen. Trotz allem versuchen wir, mit anderen in Beziehung zu treten. Wir tun das, nicht wahr, wenn wir nur genau hinschauen. Das ist es, was wir tun, tun wir das nicht alle? Sie sind möglicherweise verheiratet, Sie gehen ins Büro, in die Fabrik, egal was Sie tun, es ist Ihre tägliche Beschäftigung. Und sie in ihrem Haushalt, mit ihren eigenen Schwierigkeiten, ihren eigenen Nichtigkeiten, all das passiert. Wo findet eine Beziehung zwischen diesen beiden Menschen statt? Im Bett, beim Sex? Diese Beziehung ist doch derart oberflächlich, derart eingegrenzt, und das allein ist doch verderblich.
14:21 Vielleicht werden Sie fragen, wie man leben soll, wenn man nicht ins Büro geht, nicht dem eigenen Ehrgeiz und Neid nachgeht, dem eigenen Verlangen, etwas zu erreichen. Wenn man all das nicht tut, was kann man dann tun? Ich glaube, dass das die vollkommen falsche Frage ist, nicht wahr? Denn uns geht es doch darum, eine radikale Veränderung in der gesamten Struktur des Geistes herbeizuführen. Die Krise ist nicht im Außen, die Krise ist im eigenen Bewusstsein. Und bis wir dieser Krise nicht auf den Grund gegangen sind, nicht mithilfe eines Philosophen oder Lehrers, sondern sie in uns selbst in der Tiefe begriffen und verstanden haben, wird es uns unmöglich sein, einen Wandel herbeizuführen. Wir streben nach einer Revolution in der Psyche. Diese Revolution kann nur vollbracht werden, wenn es unter Menschen angemessene Beziehungen gibt.
16:23 Wie können diese Beziehungen herbeigeführt werden? Dieses Problem ist offenkundig, nicht wahr? Wenn ich verheiratet bin, habe ich eine Verantwortung, Kinder, all das. Ich gehe ins Büro oder irgendeiner Beschäftigung nach und verbringe dort meinen ganzen Tag. Bitte teilen Sie dieses Problem mit mir. Es ist Ihr Problem, nicht meins. Es ist Ihr Leben, nicht mein Leben. Es ist Ihr Leid, Ihre Sorge, Ihre Angst, Ihr Schuldgefühl. Die große Last des Leids, daraus besteht unser Leben, aus diesem Kampf. Wenn Sie lediglich einer Beschreibung zuhören, werden Sie feststellen, dass Sie nur an der Oberfläche schwimmen, ohne ein einziges Problem gelöst zu haben. Es ist wirklich Ihr Problem. Der Sprecher beschreibt das Problem nur, wohl wissend, dass eine Beschreibung nicht das Beschriebene ist. Wir teilen dieses Problem also gemeinsam. Die Frage lautet, wie können Menschen, Sie und ich, inmitten von all diesem Aufruhr, dem Durcheinander, dem Hass, dem Krieg, der Zerstörung und dem Verfall, von diesen schrecklichen Dingen, die in der Welt vor sich gehen, wie können wir angemessene Beziehungen finden?
19:14 Um das herauszufinden, so scheint es mir, müssen wir untersuchen, was tatsächlich geschieht, wahrnehmen, was tatsächlich ist, nicht das, was wir gern hätten. Wir sollten auch nicht versuchen, unsere Beziehungen an einem zukünftigen Konzept auszurichten, sondern einfach nur beobachten, wie sie jetzt sind. Und wenn wir das, was jetzt ist, beobachten, die Tatsache, die Wahrheit, die Wirklichkeit sehen, dann besteht die Möglichkeit einer Veränderung. Wie wir neulich schon sagten, ist außerordentlich viel Energie da, wenn sich eine Möglichkeit offenbart. Die Energie wird vergeudet, wenn man meint, dass keine Änderung möglich ist.
20:29 Wir müssen unsere Beziehungen also sehen, so wie sie wirklich sind, tagtäglich. Und wenn wir sehen, was ist, werden wir herausfinden, wie eine Veränderung des Bestehenden herbeigeführt werden kann. Wir beschreiben also Tatsachen, wie beispielsweise jeder in seiner eigenen Welt lebt, in seiner Welt des Ehrgeizes, der Gier, der Angst, des Erfolgszwangs, usw., Sie wissen, was vor sich geht. Wir begegnen einander, Eheleute, oder ein Junge und ein Mädchen, im Bett. Wir nennen das Liebe, führen jedoch getrennte Leben, sind isoliert, wir errichten eine Mauer des Widerstands um uns herum, und sind nur auf unser eigenes Wohl bedacht. Wir alle sind auf der Suche nach psychologischer Sicherheit, wir sind voneinander abhängig, wir brauchen Trost, Vergnügen und Gemeinschaft, denn jeder einzelne von uns ist schrecklich einsam. Wir alle verlangen nach Liebe, Wertschätzung, und versuchen, einander zu beherrschen.
23:01 Wenn wir das erkennen, - es ist offensichtlich, denn Sie können sich davon überzeugen, wenn Sie sich selbst beobachten - gibt es überhaupt irgendeine Art von Beziehung? Da es zwischen zwei Menschen keine Beziehung gibt, obwohl Sie möglicherweise Kinder und ein Haus haben, sind sie in Wirklichkeit nicht miteinander verbunden. Wenn sie ein gemeinsames Projekt haben, trägt dieses Projekt sie, es hält Sie zusammen, doch das ist keine Beziehung.
24:02 Wir sehen das alles und erkennen, dass Beziehungslosigkeit zwischen zwei Menschen ins Verderben führt. Nicht in der äußeren Gesellschaftsstruktur, der Verunreinigung im Außen. Doch Verunreinigung, Verfall, Zerstörung beginnt, wenn Menschen einfach keinerlei Beziehung zueinander haben, so wie Sie. Sie halten vielleicht Händchen, küssen einander, schlafen miteinander, doch wenn Sie ganz genau hinschauen, gibt es da irgendeine Art von Beziehung? Das heißt, einen Bezug zueinander zu haben, nicht voneinander abhängig zu sein, nicht durch Andere der eigenen Einsamkeit entfliehen zu wollen, nicht bei Anderen Trost und Gemeinschaft zu suchen. Wenn Sie Trost suchen, ein Abhängigkeitsverhältnis, kann man das als Beziehung bezeichnen, oder benutzen Sie einander nur? Das ist nicht zynisch gemeint, sondern wir beobachten nur Tatsachen, das ist kein Zynismus. Um also herauszufinden, was Beziehung ist, wie es ist, eine wirkliche Beziehung miteinander zu haben, müssen wir das Problem der Einsamkeit verstehen. Denn die meisten von uns sind schrecklich einsam. Je älter wir werden, desto einsamer werden wir, besonders in diesem Land. Haben Sie alte Leute wahrgenommen, wie sie sind? Haben Sie bemerkt, wie sie auf der Flucht sind, ihren Zeitvertreib? Sie haben ihr ganzes Leben lang gearbeitet und suchen jetzt Zuflucht in irgendeiner Form von Unterhaltung.
27:17 Wir versuchen also, herauszufinden, ob es eine Lebensweise gibt, in der wir uns nicht gegenseitig psychologisch und emotional ausnutzen, in der wir nicht voneinander abhängig sind, in der wir einander nicht benutzen, um unseren eigenen Qualen zu entfliehen, unserer Verzweiflung und unserer Einsamkeit.
28:03 Um das zu verstehen, was es heißt, einsam zu sein. Sind Sie jemals einsam gewesen? Wissen Sie, was das heißt? Dass Sie keinerlei Beziehung zueinander haben und vollkommen isoliert sind. Vielleicht befinden Sie sich im Kreis Ihrer Familie, in einer Menschenmenge oder im Büro, wo auch immer, und ganz unvorbereitet trifft es Sie, das Gefühl vollkommener Einsamkeit und Verzweiflung. Und bis Sie dieses Problem nicht vollkommen gelöst haben, wird aus Ihrer Beziehung ein Mittel zur Flucht, das infolgedessen ins Verderben führt, ins Leid. Also, wie können wir diese Einsamkeit begreifen, dieses Gefühl vollkommener Isolation? Dafür müssen wir unser eigenes Leben anschauen. Ist nicht alles, was Sie tun, eigennützig? Hin und wieder sind Sie vielleicht wohltätig, hin und wieder großzügig, und Sie tun etwas ohne Hintergedanken, doch das kommt selten vor. In Wirklichkeit kann die Verzweiflung, wenn wir vor ihr fliehen, niemals aufgelöst werden. Wir müssen sie beobachten.
30:17 Also kommen wir noch einmal auf die Frage des Beobachtens zurück. Wie können wir uns selbst beobachten, so dass in dieser Beobachtung keinerlei Konflikt enthalten ist. Denn jeglicher Konflikt führt ins Verderben, Konflikt ist Energieverschwendung: Unser Lebenskampf besteht aus Konflikten, von dem Moment unserer Geburt an bis wir sterben. Und ist es möglich, ein Leben zu führen, in dem es keinen einzigen Konflikt gibt? Und das für uns selbst herauszufinden, müssen wir lernen, wie man beobachtet, unser gesamtes Dasein. Wir sind neulich auf all das eingegangen. Es gibt eine Wahrnehmung, die stimmig ist und wahrhaftig, wenn kein Beobachter da ist, nur reine Beobachtung. Wir sind auf das eingegangen, ich werde es nicht noch einmal tun. Denn das wäre eine ziemliche Zeitverschwendung, es gibt so viele Dinge, über die wir noch sprechen sollten.
31:51 Kann es Liebe geben, wenn keine Beziehung vorhanden ist? Wir werden darüber sprechen. Denn Liebe, wie wir sie kennen, bezieht sich auf Sex und Vergnügen, nicht wahr? Nicht? Einige von Ihnen verneinen das. Wenn Sie das verneinen, müssen Sie frei von Ehrgeiz sein, nicht mehr konkurrieren, es darf keine Trennung geben zwischen mir und Ihnen, uns und den anderen, keine Trennung zwischen Nationalitäten, Glaubensrichtungen, keine Trennung, die ihren Ursprung in Überzeugungen oder Wissen hat. Nur dann können Sie von sich behaupten, dass Sie lieben. Doch die meisten Menschen verbinden Liebe mit Sex und Vergnügen, und all die Mühsal, die damit verbunden ist, Eifersucht, Neid, Feindschaft, Sie wissen schon, was zwischen Männern und Frauen geschieht. Wenn diese Beziehung nicht wahrhaftig, echt, tief und vollkommen harmonisch ist, wie können Sie dann Frieden in der Welt haben? Wie kann der Krieg beendet werden?
34:27 Also sind Beziehungen eine der wichtigsten, besser gesagt, die wichtigste Sache im Leben. D.h., man muss verstehen, was Liebe ist. Sie werden ihr sicherlich begegnen, unverhofft, ohne dass Sie darum bitten, wenn Sie herausgefunden haben, was sie nicht ist, was die Liebe nicht ist. Dann werden Sie wissen, was Liebe ist, nicht theoretisch, vom Intellekt her oder wörtlich, sondern Sie müssen wirklich herausfinden, was sie nicht ist. Das heißt, dass ein Geist, der wetteifert, der ehrgeizig ist, strebsam, der vergleicht und nachahmt, ein solcher Geist kann unmöglich lieben.
35:52 Also können Sie, die in dieser Welt leben, können Sie vollkommen ohne Ehrgeiz sein, sich niemals mit anderen vergleichen? Denn sobald Sie vergleichen, gibt es Konflikt, Neid und Ehrgeiz kommen ins Spiel, und es entsteht der Wunsch, sich durchzusetzen, andere zu übertrumpfen. Bitte hören Sie aufmerksam zu, es ist Ihr Leben, über das wir sprechen.
36:42 Können denn der Geist und das Herz, mit all den gespeicherten Verletzungen, allen Beleidigungen, allen Dingen, die sie verletzbar und stumpf gemacht haben, können ein solcher Geist und ein solches Herz wissen, was Liebe ist?
37:17 Ist Liebe Vergnügen? Und doch ist es das, wonach wir streben, bewußt oder unbewußt. Unsere Götter entspringen unserem Vergnügen, unseren Überzeugungen, unserer sozialen Struktur, unserer Sozialmoral, die im wesentlichen unmoralisch ist, denn sie ist das Ergebnis unserer Vergnügungssucht. Und wenn Sie sagen, dass Sie jemanden lieben, ist das Liebe? Das würde voraussetzen, dass es keine Trennug gibt, keine Dominanz, kein selbstsüchtiges Handeln. Um also herauszufinden, ob es Liebe ist, müssen Sie all das ablehnen, ablehnen in dem Sinne, dass Sie das Falsche darin erkennen. Wenn Sie sehen, dass etwas falsch ist, das Sie für wahr gehalten haben, für natürlich, für menschlich, wenn Sie das erkannt haben, haben Sie für immer damit abgeschlossen. Wenn Sie eine gefährliche Schlange sehen oder ein gefährliches Tier, werden Sie niemals mehr damit herumspielen, Sie werden Abstand halten. Wenn Sie gleichermaßen erkennen, dass Liebe keine dieser Dinge ist, es tatsächlich sehen, fühlen, darin eintauchen, damit leben, dem vollkommen verpflichtet sind, dann wissen Sie, was Liebe ist. Sie werden dann wissen, was Mitgefühl ist, und zwar jene Leidenschaft, die jeden Einzelnen meint. Doch wir besitzen keine Leidenschaft, statt dessen begehren wir und streben nach Vergnügen.
40:07 Der Begriff Leidenschaft hat seine Wurzel im Leiden. Wir haben alle gelitten, auf die eine oder andere Weise. Wir haben jemanden verloren, wir haben Selbstmitleid, die gesamte Menschheit leidet, auf kollektiver und persönlicher Ebene. - Wir alle kennen das Leid - der Tod eines Menschen, von dem wir glaubten, dass wir ihn liebten. Wenn wir uns diesem Leid vollkommen hingeben, nicht davor fliehen, nach keinerlei Begründungen suchen, weder mit Worten noch mit Taten ausweichen; Wenn Sie sich diesem Leid vollkommen hingeben, restlos, das Denken gänzlich beiseite lassen, dann werden Sie herausfinden, dass dieses Leid sich in Leidenschaft verwandelt. Diese Leidenschaft ähnelt der Liebe, denn in der Liebe gibt es kein Leid.
42:03 Diese gesamte Daseinsproblematik gilt es zu verstehen, die Konflikte, die Kämpfe, das Leben, das man führt, das derart leer, derart sinnlos ist, dem die Intellektuellen einen Sinn, eine Bedeutung zu geben versuchen. Wir möchten einen Lebenssinn finden, denn so, wie es von uns gelebt wird, ist es sinnlos, nicht wahr? Unser ständiger Kampf, die nicht enden wollende Arbeit, der Kummer, das Leid, die Mühsal, die das Leben mit sich bringt, das alles ergibt wirklich keinen Sinn, wir durchleben es aus Gewohnheit. Doch um herauszufinden, welchen Sinn das Leben hat, müssen verstehen, welche Bedeutung dem Tod zukommt, denn leben und sterben sind eins, sie sind nicht voneinander getrennt.
43:52 Wir müssen also herausfinden, was es bedeutet zu sterben, denn sterben ist Teil unseres Lebens, nicht etwas, das in weiter Ferne liegt, dem wir ausweichen, und mit dem wir uns nur befassen, wenn wir ernsthaft krank oder alt sind, einen Unfall haben oder auf dem Schlachtfeld sterben. Er ist also Teil unseres Lebens, unseres täglichen Lebens, so wie unser tägliches Lebens darin besteht, ohne eine Spur des Konflikts zu leben. In unserem Leben gilt es herauszufinden, was es heißt zu lieben. Auch das ist Teil unseres Daseins, denn unser gesamtes Dasein sollte nicht einfach mit dem Tod enden. Wir müssen ihn verstehen.
45:33 Wie verstehen wir, was der Tod ist? Verstehen Sie ihn, wenn Sie im Begriff sind zu sterben, im letzten Moment, ohne Bewusstsein? Möglicherweise wird Ihre Lebensweise, all die Belastungen, die emotionalen Kämpfe, Ihr Ehrgeiz, Ihr Mühen im letzten Moment eine klare Wahrnehmung verhindern. Dann gibt es das Alter und die Furcht vor dem Altern, wenn der Verstand nachlässt, all das. Man muss den Tod also jetzt verstehen, nicht erst morgen. Haben Sie beobachtet, dass das Denken darüber nicht nachdenken will? Es denkt an all die Dinge, die es morgen tun wird, wie es Brücken bauen, Dinge erfinden wird, schönere Badezimmer, alles, womit die Gedanken sich beschäftigen können, doch sie möchten nicht über den Tod nachdenken, denn sie wissen nicht, was er bedeutet. Kann der Sinn des Todes durch den Denkprozess gefunden werden? Teilen wir diese Frage miteinander? Bitte tun Sie es. Wenn wir sie teilen, werden wir beginnen, die Schönheit darin zu erkennen. Doch wenn Sie dort sitzen und dem Sprecher das Reden überlassen, seinen Worten einfach nur zuhören, dann teilen wir nicht. Gemeinsam an etwas teilzuhaben beinhaltet eine gewisse Fürsorge, Aufmerksamkeit, Zuneigung und Liebe. Denn der Tod stellt uns vor ein gewaltiges Problem. Junge Menschen sagen vielleicht, was kümmert es Sie? Denn ein Teil ihres Lebens dreht sich um die Enthaltsamkeit. Nicht nur, weshalb über die Enthaltsamkeit gesprochen wird, das ist Sache der alten Knacker, der dummen Mönche. Doch für die Menschen ist sie ein Problem gewesen, sie wurde nicht von Priestern erfunden oder von modernen Katholiken, das Problem gibt es seit fünftausend Jahren, zu verstehen, was es heißt, enthaltsam zu leben.
49:42 Es gilt auch zu fragen, ob der Geist vollkommen unschuldig sein kann. Da wir nicht wissen, wie ein keusches Leben gelebt werden kann, unterwerfen wir uns Keuschheitsgelübten und erleiden Qualen, biologische Qualen. Das ist keine Enthaltsamkeit. Enthaltsamkeit ist etwas völlig anderes. Es bedeutet, einen Geist zu haben, der frei ist von allen Bildern, von jeglichem Wissen, was bedeutet, den gesamten Vorgang des Vergnügens und der Angst zu verstehen, wir haben das neulich behandelt.
50:51 Auf ähnliche Weise muss man den Tod verstehen. Wie gehen wir vor, wenn wir etwas verstehen wollen, vor dem wir uns entsetzlich fürchten? Haben nicht die meisten von uns Angst vor dem Tod? Oder sind wir froh, dass wir sterben werden, weil wir genug von diesem Leben haben, mit all dem Elend, dem Durcheinander, der Schäbigkeit, den belanglosen Streitereien, dem Gemetzel, der Brutalität, der Gewalt, all den mechanischen Abläufen, in denen wir gefangen sind, Gottseidank hört das alles auf. Das ist keine Lösung. Oder sollte man den Tod mit dem Verstand begründen oder an irgendeine Wiedergeburt glauben, wie in allen asiatischen Ländern, Reinkarnation. Herausfinden, was es mit der Reinkarnation auf sich hat, d.h., im nächsten Leben zu inkarnieren, wiedergeboren zu werden, Sie, in einer zukünftigen Existenz. Um das herauszufinden, müssen Sie herausfinden, was Sie jetzt sind. Was sind Sie jetzt, wenn Sie an die Reinkarnation glauben, was sind Sie jetzt? Eine Menge von Worten, Erfahrung, Wissen, geprägt durch verschiedene Kulturen, all das, was Ihr Leben ausmacht, Ihre Möbel, Ihr Haus, Ihr Bankkonto, Ihre freud- und leidvollen Erfahrungen, das ist was Sie sind, nicht wahr? Ihre Erinnerungen, Ihr Scheitern, Ihre Hoffnungen, Ihr Verzweifeln, das alles macht Sie jetzt aus. Und das wird im nächsten Leben wiedergeboren. Eine schöne Vorstellung, nicht wahr?
53:51 Oder glauben Sie, dass sich in Ihnen eine dauerhafte Seele, ein dauerhaftes Wesen befindet? Gibt es in Ihnen irgend etwas von Dauer? Sobald Sie von einem Fortbestehen der Seele sprechen, einem dauerhaften Wesen, ist dieses Wesen ein Ergebnis Ihres Denkens, oder ein Ergebnis Ihrer Hoffnung, denn es gibt so viel Unsicherheit, alles ist vergänglich, flüchtig, in Bewegung. Wenn Sie also behaupten, dass es etwas Dauerhaftes gibt, ist dieses Dauerhafte ein Ergebnis Ihres Denkens. Und das Denken ist die Vergangenheit. Das Denken ist niemals frei, es kann sich alles Mögliche ausdenken.
54:59 Wenn Sie also an eine zukünftige Geburt glauben, dann müssen Sie wissen, dass die Zukunft durch Ihre jetzige Lebensweise bestimmt wird, durch das, was Sie jetzt tun, durch Ihr Denken, Ihr Verhalten, Ihre Moral. Was Sie jetzt also sind, was Sie jetzt tun, ist unglaublich wichtig. Doch Menschen, die an eine Wiedergeburt glauben, ist es vollkommen egal, was jetzt geschieht, alles nur Glaubenssache.
55:59 Wie werden Sie herausfinden, was der Tod bedeutet? Jetzt, solange Sie noch voller Lebenskraft und Energie und gesund sind, nicht erst, wenn Sie geistesgestört sind, unausgeglichen oder krank, nicht im letzten Moment - jetzt. Wie finden Sie das heraus, denn der Organismus wird sich unweigerlich abnutzen. Wie alle Maschinen muss er sich abnutzen, doch unglücklicherweise gehen wir so respektlos mit ihm um, nicht wahr? Wie finden Sie also heraus, was es bedeutet zu sterben, in dem Bewusstsein, dass der physische Organismus endlich ist. Haben Sie je darüber nachgedacht? Das Denken- Sie können darüber nicht nachdenken - Haben Sie jemals versucht, herauszufinden, was es bedeutet, psychologisch, innerlich zu sterben? Nicht um die Unsterblichkeit zu finden, denn die Ewigkeit, die Zeitlosigkeit ist im Jetzt, nicht in irgendeiner fernen Zukunft. Und um das zu erforschen, müssen wir die gesamte Problematik der Zeit verstehen, nicht nur die chonologische Zeit bei der Uhr, sondern die Zeit, die das Denken erfunden hat, als einen allmählichen Prozess der Veränderung.
58:31 Wie werden wir also dieses seltsame Etwas finden, mit dem wir alle irgendwann konfrontiert sein werden, wie finden Sie es heraus? Können wir heute psychologisch sterben, allem sterben, das wir jemals gekannt haben? Können wir zum Beispiel unseren Vergnügungen sterben, unseren Bindungen, unseren Abhängigkeiten. Beenden Sie sie, ohne Einwände zu erheben, ohne nach Auswegen zu suchen. Sie haben meine Frage verstanden? Nicht ganz? Sie wissen, was es bedeutet zu sterben, nicht physisch, sondern psychisch, innerlich. D.h., das, was von Dauer ist, zu beenden. Verstehen Sie das? Mit Ihrem Ehrgeiz Schluss machen, denn wenn Sie sterben, wird das geschehen, nicht wahr? Sie können nichts mit hinübernehmen und dann neben Gott Platz nehmen. Wenn Sie tatsächlich sterben, müssen Sie so viele Dinge beenden, ohne Diskussion. Sie können den Tod nicht bitten, einen Moment zu warten, bis Sie Ihre Angelegenheiten, Ihr Buch beendet haben, all die Dinge, die unerledigt geblieben sind, bis Sie die Verletzungen geheilt haben, die Sie anderen angetan haben, Sie werden dazu keine Zeit haben.
1:01:19 Finden Sie also heraus, wie Sie jetzt, heute, ein Leben führen können, in dem Sie alles zu Ende bringen können, alles, was Sie angefangen haben, beenden, natürlich nicht in Ihrem Büro. Doch innerlich, dass Sie Ihr gesamtes angesammeltes Wissen beiseite legen, das Ihrer Erfahrung, Ihren Erinnerungen, Ihren Verletzungen entspringt, dem Schmerz, dem vergleichenden Leben, in dem Sie sich immer mit anderen messen müssen. All dem jeden Tag ein Ende zu bereiten, so dass Ihr Geist am nächsten Tag frisch und jung ist, denn ein solcher Geist kann niemals verletzt werden. Das ist Unschuld.
1:02:42 Man muss für sich selbst herausfinden, was es bedeutet zu sterben, dann werden Sie keine Angst mehr haben, denn jeder Tag wird ein neuer Tag sein. Das meine ich wirklich. Man kann das tun, und dann werden Ihr Geist, Ihre Augen das Leben vollkommen neu wahrnehmen. Das ist Ewigkeit. Ein Geist, dem dieser zeitlose Zustand begegnet ist, hat diese Qualität. Denn er hat erkannt, was es heißt, jeden Tag allem, was sich tagsüber angesammelt hat, zu sterben. Das ist Liebe. Liebe ist jeden Tag vollkommen neu. Das Vergnügen nicht, das Vergnügen ist von Dauer. Die Liebe ist immer neu, deshalb ist sie ein Teil der Ewigkeit.
1:04:24 Möchten Sie Fragen stellen?
1:04:31 F: Nehmen wir an, dass ich durch objektive Selbstbeobachtung herausgefunden habe, dass ich gierig bin, genusssüchtig, selbstsüchtig, all das, wie kann ich wissen, ob dieser Lebensstil gut ist oder schlecht, wenn ich keine vorgefasste Meinung davon habe, was gut ist? Und wenn ich diese vorgefasste Meinung habe, kann sie sich aus der Selbstbeobachtung ergeben.
1:05:06 K: Richtig.
1:05:07 F: Ich habe noch eine andere Schwierigkeit, es scheint, dass Sie an das Teilen glauben, doch gleichzeitig sagen Sie, dass die Liebe von Liebenden oder Eheleuten nicht auf Trost gründen sollte, dass sie sich nicht gegenseitig trösten sollen. Ich finde es nicht falsch, wenn man sich gegenseitig tröstet, dann teilt man doch.
1:05:30 K: Richtig. Der Herr meint, dass man eine Vorstellung vom Guten haben sollte, weshalb sollte man sonst all diesen Ehrgeiz, die Gier und den Neid aufgeben. Das ist Teil der ersten Frage. Sie müssen eine Vorstellung von dem haben, was gut ist. Sie können eine Vorstellung von dem haben, was besser ist, doch können Sie eine Vorstellung von dem haben, was gut ist?
1:06:36 F: Ja, ich glaube doch.
1:06:39 K: Der Herr sagt, dass er das glaubt. Kann das Denken das Gute hervorbringen?
1:06:51 F: Nein, ich meinte die Idee dieses Guten.
1:06:54 K: Ja, die Idee des Guten ist das Ergebnis des Denkens, wie können Sie sonst begreifen, was gut ist?
1:07:06 F: Aber diese Ideen können sich nicht aus unserer Selbstbeobachtung ergeben.
1:07:10 K: Ich weise Sie nur darauf hin. Weshalb sollten Sie überhaupt eine Vorstellung vom Guten haben?
1:07:17 F: Wie kann ich dann wissen, ob meine Lebensführung gut ist oder schecht?
1:07:22 K: Wie kann ich dann wissen, ob meine Lebensführung gut ist oder schecht? Hören Sie nur die Frage. Wenn ich keine Vorstellung davon habe, was gut oder böse ist, wie kann ich dann wissen, was in meinem Leben gut oder schlecht ist? Wir alle kennen den Konflikt. Muss ich eine Vorstellung von der Konfliktlosigkeit haben, bevor ich den Konflikt verstehe, bevor ich mir des Konfliktes bewusst bin? Ich weiß, was Konflikt bedeutet: Kampf, Kummer, Konflikt eben. Das kenne ich doch, ohne zu wissen, wie es ist, ohne Konflikt zu leben. Und wenn ich beschreibe, was gut ist, werde ich das im Einklang mit meiner Konditionierung tun, im Einklang mit meinem Denken, meinem Fühlen, meinen besonderen Eigenheiten, meiner kulturellen Konditionierung. Kann das Gute denn durch das Denken entworfen werden, und wird das Denken mir dann sagen, was in meinem Leben gut ist oder schlecht? Oder hat das Gute ganz und gar nichts mit dem Denken zu tun oder mit einem Schema? Wo kann das Gute erblühen, gedeihen? Bitte sagen Sie es mir. In der Vorstellung eines zukünftigen Ideals? In der Zukunft? Eine Vorstellung liegt in der Zukunft, in einem Morgen. Sie mag in weiter Ferne liegen oder auch in naher Zukunft, doch immer noch in der Zeit. Ihre Gedanken entwerfen eine Vorstellung, die ihren Ursprung in Erinnerungen haben, in angesammeltem Wissen, je nachdem, von welchen kuturellen Einflüssen Sie geprägt wurden. Werden Sie dieses Gute dann in der Zukunft finden, vom Denken erschaffen, oder werden Sie es finden, wenn Sie anfangen, den Konflikt, den Schmerz und das Leid zu verstehen?
1:10:52 Wenn Sie also das, was ist, verstehen, und es nicht vergleichen mit dem, was sein sollte, sondern bei dem bleiben, was tatsächlich ist, wird aus diesem Verstehen das Gute wachsen. Das Gute hat ganz und gar nichts mit dem Denken zu tun, nicht wahr? Hat die Liebe etwas mit dem Denken zu tun? Können Sie Liebe kultivieren, indem Sie sich ein Wunschbild der Liebe zurechtlegen? Wissen Sie, was geschieht, wenn Sie Liebe kultivieren? Dann lieben Sie nicht. Sie gehen davon aus, dass Sie eines Tages lieben werden, und in der Zwischenzeit sind Sie gewalttätig. Ist das Gute also nur ein Ergebnis des Denkens, ist Liebe das Ergebnis von Erfahrung, von Wissen? Nun zur zweiten Frage:
1:12:24 F: Bei der zweiten Frage ging es um das Teilen, bezogen auf die Geborgenheit.
1:12:32 K: Teilen. Gemeinschaft. Was teilen Sie? Was teilen wir jetzt? Wir haben über den Tod gesprochen, wir haben über die Liebe gesprochen, wir sprachen über die Notwendigkeit einer totalen Revolution in der Psyche, einer vollkommenen Umkehr. Nicht in den alten Strukturen des Kampfes, des Schmerzes, der Nachahmung, der Konformität weiterzuleben, in denen die Menschheit schon seit Jahrmillionen gefangen ist und diese wundervoll chaotische Welt erschaffen hat. Wir haben über den Tod gesprochen, wie können wir damit gemeinsam umgehen? Das Verständnis teilen, nicht auf der verbalen Ebene, nicht wie er beschrieben oder erklärt wird, das ist alles verbal, doch was heißt es zu teilen? Eine Erkenntnis, eine Wahrheit zu teilen. Die Wahrheit, die mit dem Verstehen kommt. Was bedeutet es also zu verstehen? Wann verstehen Sie? Sie erzählen mit etwas, das ernstzunehmen, das wesentlich ist, sachdienlich und wichtig. Ich höre zu, lausche mit allen Sinnen, weil es mir unendlich wichtig ist. Und um so genau zuzuhören, muss mein Geist vollkommen still sein. Wenn ich schwatze, wenn ich irgendwo anders hinschaue, wenn ich Ihre Aussagen mit meinem Wissen vergleiche, ist mein Geist nicht still. Nur wenn mein Geist still ist und vollkommen zuhört, gibt es ein Verstehen, ein Verständnis der Wahrheit. Das teilen wir gemeinsam, andernfalls können wir nicht teilen. Wir können die Worte nicht teilen, wir können nur Anteil an der Wahrheit haben, wenn Sie und ich sehen, dass etwas wahr ist. Und das kann nur wahrgenommen werden, wenn Ihr Geist gänzlich in der Beobachtung aufgeht.
1:16:11 Wenn Sie mit einem Freund die Schönheit eines Sonnenuntergangs teilen, die wunderschönen Hügel sehen, die Schatten und das Mondlicht, wie teilen Sie das? Indem Sie sagen, bitte schauen Sie sich diesen wunderschönen Hügel an? Vielleicht sagen Sie das, doch ist das teilen? Wann teilen Sie wirklich? Denn wenn wir etwas gemeinsam teilen wollen, müssen wir uns zur selben Zeit, mit derselben Hingabe auf ein und derselben Ebene befinden. Sonst ist teilen unmöglich, nicht wahr? Sie beide müssen ein gemeinsames Interesse haben, das Sie mit derselben Hingabe auf derselben Ebene und mit derselben Leidenschaft verfolgen, wie sonst können Sie etwas teilen? Sie können ein Stück Brot teilen, ich gebe Ihnen ein halbes Brot, doch darüber sprechen wir hier nicht.
1:17:44 Um eine Wahrnehmung zu teilen, d.h. an ihr gemeinsam teilzuhaben, müssen wir wahrnehmen, weder dafür oder dagegen sein, wir müssen gemeinsam wahrnehmen, was tatsächlich ist, und es nicht gemäß meiner dummen Konditionierung oder Ihrer Konditionierung interpretieren. Wir müssen gemeinsam wahrnehmung was ist. Und um gemeinsam wahrzunehmen, müssen wir frei sein zu beobachten, frei sein zuzuhören. Vorurteilsfrei, ich muss vollkommen aufhören ein Hindu zu sein. Nur dann, wenn die Liebe diese Qualität besitzt, können wir teilen.
1:18:55 F: Wie kann man den Geist besänftigen, wie kann man ihn von Vergangenem befreien?
1:19:02 K: Sie haben die Frage verstanden, ich werde sie nicht wiederholen. Ich weiß nicht, ob die Zeit ausreicht, um hierauf näher einzugehen. Sie können den Geist nicht besänftigen. Punkt. Das sind Tricks. Sie können den Geist mit einer Pille ruhigstellen. Sie können den Geist auf keinen Fall ruhigstellen, denn der Geist sind Sie. Nicht wahr? Sie können nicht sagen, ich werde meinen Geist ruhigstellen. Sie müssen verstehen, was Meditation ist. Nicht, was andere Leute darüber sagen, das ist Unsinn. Sie müssen vielmehr herausfinden, ob der Geist jemals still sein kann, nicht, wie Sie ihn ruhigstellen können. Sie müssen deshalb das gesamte Problem des Wissens untersuchen, und ob der Geist, und mit ihm auch das Gehirn, ob die Gehirnzellen, die mit all den vergangenen Erinnerungen belastet sind, ob diese Gehirnzellen vollkommen still sein können, dass sie nur in Aktion treten, wenn es notwendig ist, Und wenn nicht, vollkommen und gänzlich still sein können. Vielleicht können wir morgen darüber sprechen, wenn wir untersuchen, was Meditation ist, in Ordnung? Denn jetzt würde es zu lange dauern.
1:21:41 F: Sir, ich habe eine Frage.
1:21:43 K: Wie bitte?
1:21:49 F: Sir, ich habe eine Frage. Sie haben davon gesprochen, dass man Erfahrungen teilt. Nun, ich glaube an das Teilen von sexuellen Erfahrungen. Ich würde gerne wissen, was Sie von der Ehe halten, im Gegensatz zur sexuellen Freizügigkeit.
1:22:16 K: Sir, ich habe Ihre Frage nicht verstanden. Es tut mir leid. Würden Sie sich bitte etwas klarer ausdrücken oder sich kürzer fassen?
1:22:28 F: Nun, ich glaube an das Teilen von sexuellen Erfahrungen. So wie Sie die Erfahrung eines Sonnenuntergangs mit jemandem teilen, genauso teilen Sie eine sexuelle Erfahrung. Deshalb möchte ich gern wissen, ob Sie an ein gemeinsames Leben im Stand der Ehe glauben?
1:22:59 K: Haben Sie das verstanden? Ich nicht so ganz - Sexualität teilen? Aber Sie teilen doch Sex, nicht wahr? Ich verstehe die Frage nicht.
1:23:12 K: Was, Madame?
1:23:14 F: Ist Enthaltsamkeit ein Zustand der Liebe?
1:23:18 K: Wie bitte? F: Darf ich etwas fragen?
1:23:21 K: Bitte fragen Sie was Sie wollen.
1:23:27 F: Darf ich Ihnen vom Balkon aus eine Frage stellen?
1:23:37 K: Bitte tun Sie das.
1:23:38 F: Weshalb ist die Zeit entstanden? Ist sie ein Rhythmus der kosmischen Liebe?
1:23:47 K: Oh nein. Das kann ich nicht beantworten. Fragen Sie lieber die Wissenschaftler. Nein, hören Sie nur zu. Bei allem Respekt möchte ich Sie bitten, keine theoretischen Fragen zu stellen.
1:24:11 F: Sir, wenn Sie über Beziehungen sprechen, sprechen Sie immer von Mann und Frau oder Mädchen und Jungen. Würde dasselbe auch auf Beziehungen zwischen zwei Männern oder zwei Frauen zutreffen?
1:24:25 K: Homosexualität.
1:24:27 F: Ja, wenn Sie das so nennen wollen.
1:24:34 K: Wenn wir über die Liebe sprechen, ob nun zwischen Männern, Frauen oder Männern und Frauen, sprechen wir nicht über eine bestimmte Art von Beziehung. Wir sprechen über den gesamten Prozess von Beziehungen, nicht zwischen Einzelnen, sondern die gesamte Bedeutung von Beziehungen. Wissen Sie nicht, was es heißt, mit der Welt in Beziehung zu stehen, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie die Welt sind? Nicht als eine Vorstellung, das wäre furchtbar, sondern wenn Sie tatsächlich fühlen, dass Sie Verantwortung tragen, dass Sie dieser Verantwortung verpflichtet sind. Das ist die einzige Verpflichtung, sich nicht durch Bomben genötigt zu fühlen oder irgendeiner bestimmten Tätigkeit verpflichtet zu sein, sondern wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie die Welt sind, und die Welt Sie. Wenn Sie nicht vollkommen, radikal umkehren, in sich selbst eine vollkommene Mutation herbeiführen, können Sie im Außen tun was Sie wollen, die Menschheit wird keinen Frieden finden. Wenn Sie das in Ihrem Herzen spüren, dann werden Ihre Fragen einzig und allein auf die Gegenwart bezogen sein. Es geht darum, eine Veränderung in der Gegenwart herbeizuführen, nicht in irgendwelchen spekulativen idiotischen Idealen. Sorry.
1:26:28 F: Als wir uns das letzte Mal trafen, erzählten Sie, dass schmerzhafte Erfahrungen, die wir nicht vollkommen bearbeiten, denen wir ausweichen, als Fragmente im Unterbewusstsein gespeichert werden. Wie können wir uns von diesen schmerzhaften und Angst erregenden Fragmenten befreien, um von der Vergangenheit nicht verfolgt zu werden?
1:26:46 K: Wie kann man sich aus dieser Konditionierung befreien?
1:26:53 F: Ja, schmerzhafte Erfahrungen.
1:26:56 K: Ja, das ist Konditionierung. Ist es Zeit aufzuhören? F: Nein.
1:27:10 K: Wie befreit man sich aus dieser Konditionierung? Gut, wir werden das untersuchen. Wie befreie ich mich aus meiner Konditionierung, aus einer Kultur, in die ich hineingeboren wurde, als Hindu, als Brahmane, usw., oder als Katholik, Protestant, Baptist, und Gott weiß was noch. Wie befreie ich mich aus dieser gewaltigen Propaganda? Erstens, muss ich mir bewusst sein, dass ich konditioniert bin, nicht, dass eine andere Person mir das sagt. Verstehen Sie den Unterschied? Wenn mir jemand sagt, dass ich hungrig bin, ist es etwas anderes, als tatsächlich hungrig zu sein. Ich muss mir also meiner Konditionierung bewusst sein, nicht nur an der Oberfläche, sondern auf der tieferen Ebene. Das erfordert eine allumfassende Wahrnehmung. Um derart gewahr zu sein, bedeutet, dass ich nicht versuche, über die Konditionierung hinauszugehen. Ich versuche nicht, mich der Konditionierung zu entledigen. Ich muss sie so sehen, wie sie tatsächlich ist, kein anderes Element mit hineinbringen, d.h., von ihr frei sein zu wollen, denn das ist eine Flucht vor der Wirklichkeit. Folgen Sie mir? Also muss ich aufmerksam sein. Was bedeutet das? Mir völlig, nicht nur teilweise, meiner Konditionierung als Jude, Hindu, Buddhist, Kommunist bewusst zu sein. Mein Geist muss also außerordentich empfindsam sein, andernfalls kann ich kein Gewahrsein haben, nicht wahr? D.h., ich muss alles um mich herum sehr genau beobachten, die Farbe, die Tiefe, die Eigenschaften der Menschen, der Dinge, die mich umgeben. Und ich muss mir auch meiner tatsächlichen Konditionierung bewusst sein, ohne sie zu bewerten. Können Sie das? Ohne zu versuchen, sie zu interpretieren, sie nicht ändern zu wollen, ohne zu versuchen, sich von ihr zu befreien, sich der Konditionierung nur vollkommen bewusst zu sein. Möchten Sie, dass ich das noch weiter ausführe?
1:30:58 K: Haben Sie die Zeit und die Energie?
1:31:00 A: Ja.
1:31:01 K: Klatschen Sie nicht, es ist in Ordnung, ich werde fortfahren. Wenn Sie einen Baum betrachten, dann gibt es zwischen Ihnen und dem Baum Zeit und Raum, nicht wahr? Und es gibt auch das Wissen um diesen Baum, das botanische Wissen, den Abstand zwischen Ihnen und dem Baum, d.h. die Zeit, und die Trennung, die durch das Wissen um diesen Baum entsteht. Es geht darum, den Baum ohne jegliches Wissen zu betrachten, ohne das Wesen der Zeit. Das heißt nicht, dass Sie sich mit dem Baum identifizieren sollen. Es geht darum, den Baum so aufmerksam zu betrachten, dass die Begrenzungen, die durch die Zeit entstehen, vollkommen wegfallen. Diese Begrenzungen entstehen nur, wenn Sie ein Wissen um diesen Baum haben. Sehen Sie das? Mache ich es kompliziert?
1:32:39 F: Nein.
1:32:41 F: Ja.
1:32:52 K: Ich werde es Ihnen näherbringen. Wenn Sie Ihre Frau oder Ihren Freund, Ihren Jungen oder Mädchen oder Ihre Männerfreundschaft, was auch immer, betrachten - bitte lachen Sie nicht, das ist es nicht wert, sollten Sie kein Bild haben. Das Bild gehört der Vergangenheit an, nicht wahr? Die Vergangenheit, vom Denken erschaffen, nörgelnd, schikanierend, herrisch, beleidigend, die Bilder, die man sich voneinander erschaffen hat, das Vergnügen, und all das. Es geht darum, uns kein Bild voneinander zu machen. Es ist das Bild, das trennt, es ist das Bild, das für den Abstand verantwortlich ist, die Zeit. Das Bild ist also das Wissen, das Sie in der Vergangenheit angesammelt haben. Betrachten Sie jetzt ohne dieses Bild, jenen Baum oder die Blume, die Wolke oder die Ehefrau, den Ehemann, den Jungen, die Männerfreundschaft. Eine Wahrnehmung ohne dieses Bild. Wenn Ihnen das gelingt, können Sie Ihre gesamte Konditionierung wahrnehmen. Dann können Sie mit einem Geist schauen, der von der Vergangenheit unberührt ist. Der Geist selbst ist dann frei von jeglicher Konditionierung. Wenn ich mich selbst wahrnehme, tue ich das normalerweise als ein Beobachter, der das Beobachtete betrachtet, ich als das Beobachtete und der Beobachter, der betrachtet. Der Beobachter ist das Wissen, die Vergangenheit, die Zeit, das angehäufte Wissen. Er trennt sich von dem, was er wahrnimmt. Schauen Sie also ohne den Beobachter. Und das tun Sie. Sie tun es, wenn Sie vollkommen achtsam sind. Wissen Sie, was es heißt, achtsam zu sein? Sie müssen das nicht in der Schule lernen. Um hier achtsam zu sein, heißt zuzuhören ohne jegliche Bewertung, ohne jegliches Urteil, einfach nur zuzuhören. Wenn Sie in dieser Weise zuhören, gibt es keine Begrenzung. Es gibt keine Person, die zuhört, es gibt nur den Zustand des Zuhörens. Wenn Sie Ihre Konditionierung wahrnehmen, existiert die Konditionierung nur im Betrachter, nicht in dem, was betrachtet wird. Richtig? Wenn Sie ohne den Betrachter, ohne das Ich wahrnehmen, ohne Ängste, Sorgen, usw, werden Sie sehen, dass Ihnen diese Schau eine völlig andere Dimension eröffnet.